5 Fragen an… Michael Kopatz, wissenschaftlicher Leiter des Wuppertaler Instituts und Buchautor
In der Serie "5 Fragen an..." kommen spannende Menschen mit ihren Erfahrungen zum Klimaschutz zu Wort.
Heute sprechen wir mit Michael Kopatz und fragen ihn zu seinen Büchern und zum nachhaltigen Leben. Michael Kopatz ist seit 1997 wissenschaftlicher Projektleiter des Wuppertal Instituts. Er war dort maßgeblich an der Erstellung des Standardwerks »Zukunftsfähiges Deutschland« beteiligt. Gegenwärtig beschäftigt er sich mit Konzepten zur systematischen Stärkung der Regional- und Gemeinwohlwirtschaft in Kommunen. Diesen Ansatz nennt er »Wirtschaftsförderung 4.0«. Darüber hinaus interessiert den promovierten Sozialwissenschaftler, wie sich eine umfassende Lebensstilwende realisieren lässt. Das ist auch das Thema seines Buches »Ökoroutine. Damit wir tun, was wir für richtig halten« (2016) und seines 2019 herausgegeben Buches »Schluss mit der Ökomoral. Wie wir die Welt retten, ohne ständig daran zu denken«.
Michael, was war deine Motivation das Buch „Ökoroutine“ zu schreiben?
Es war ungefähr mit dem Erscheinen der Studie Zukunftsfähiges Deutschland, welche ich im Wuppertal Institut koordiniert habe. Das war 2008. Mich hat es da zunehmend genervt, dass wir mit unseren Appellen für Umwelt- und Klimaschutz zwar auf eine breite Zustimmung in der Öffentlichkeit trafen, aber jede*r für sich persönlich kaum etwas verändert hat. Die breite Mehrheit der Bevölkerung, befürwortet den Klimaschutz und gibt sich bereit für die notwendigen Veränderungen. Über 30 Jahre Umweltbildung und Informationen, Kampagnen und Appelle haben bewirkt, dass die Menschen bereit sind. Immerhin. Aber selber verzichten, och. Das geht auch den Grünen oder den Kolleg*innen im Wuppertal Institut nicht anders. Das »Richtige« zu tun, fällt schwer. Das Auto abzuschaffen, auch wenn es nur selten benutzt wird, erfordert eine enorme Überwindung. Und deswegen wollte ich systematisch herausarbeiten, dass es wichtiger ist die
Rahmenbedingungen zu verändern, als weiterhin auf Verhaltensveränderungen von unten zu hoffen.
Was verstehst du unter Ökoroutine?
Ökoroutine ist ein in der umweltpolitischen Diskussion verwendeter Begriff, der besagt, dass ökologisch verantwortliche Handlungen überwiegend durch strukturelle Veränderungen zur Routine werden. Er basiert auf der Strukturationstheorie von Anthony Giddens. Demnach beeinflussen sich Handlungen und Struktur immer gegenseitig. Im Verständnis der Ökoroutine sind die politischen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Alltagsroutinen der Bürgerinnen und Bürger nachhaltiger werden. Diese wiederum können strukturelle Veränderungen durch ihre Handlungen bewirken, etwa in Form von politischem Engagement.
Du schreibst in deinem Buch von vielen Widersprüchen, wenn es ums Klima und unser alltägliches Verhalten geht. Wir dürfen zitieren: „Über 80% der Bundesbürger begrüßen artgerechte Tierhaltung. Doch nur wenige entscheiden sich an der Ladentheke dafür. Ein Grill darf auch mal 800 Euro kosten, drauf liegen nicht selten die Würstchen zum Dumpingpreis. Wir sind es gewohnt mit solchen Widersprüchen zu leben.“ Wie kommen solche Widersprüche im Alltag zustande?
Die Menschen sind perfekte Verdrängungskünstler*innen. Das Problem Klimahitze, also ich sag mal so, kaum jemand fühlt sich dadurch unmittelbar mit bedroht. Fragt man zum Beispiel Raucher*innen, ob es nicht besser wäre aufzuhören, kommt nicht selten die Antwort „Mein Opa hat geraucht und ist auch über 90 geworden“. Das ist natürlich vollkommen irrational und unwissenschaftlich. Spielt aber keine Rolle, wir suchen halt immer nach Gründen, unser Verhalten zu rechtfertigen. SUV-Fahrer*innen nennen auch viele Gründe, weshalb sie dieses Auto unbedingt benötigen.
Dein Appell in deinem zweiten Buch lautet: Schluss mit der Ökomoral. Politischer Protest wäre wichtiger als privater Konsumverzicht. Welche Mittel des politischen Protests haben wir als Bürger*innen?
Na, die Üblichen: demonstrieren, Petitionen auf den Weg bringen oder unterschreiben, an einer Critical Mass teilnehmen, Politiker*innen anschreiben, Initiativen unterstützen, einem Verein beitreten oder gar einer Partei. Jede Form von Engagement ist besser als sich zurückzulehnen und vor dem Fernseher die Zustände zu beklagen.
Nachhaltig Leben im Alltag und vom grünen Denken ins grüne Tun zu kommen ist die Mission von Hallo Klima! Wie können wir das erreichen? Welche Tipps kannst du unseren Hallo Klima! Freund*innen dafür mitgeben?
Ich selbst versuche vieles von dem, was klimapolitisch geboten ist in meiner persönlichen Lebensführung umzusetzen. Gleichwohl erwarte ich das nicht von allen anderen, aus den oben genannten Gründen. Ich weiß, den Menschen fällt es wahnsinnig schwer ihre Routine zu verändern. Deswegen gibt es hier auch keine Tipps, wie man sein Verhalten am besten ändert. Die Leute wissen was man tun könnte. Zum Beispiel weniger fliegen. Und wer in einer Stadt mit gutem Anschluss zum Fernverkehr wohnt, benötigt in der Regel kein eigenes Auto. Aber wie gesagt, solche Appelle sind hilflos. Viel wichtiger ist es, dass es die Menschen akzeptieren, wenn die Politik beispielsweise einen Parkstreifen zu einem breiten Fahrradweg umbaut. Die Anwohner*innen werden dagegen protestieren, und da seid ihr dann gefragt, stellt euch hin und sagt, dass ihr diesen Radweg braucht, dass er wichtig ist für die
Sicherheit der Radler*innen, damit noch mehr Menschen mit dem Fahrrad fahren und das dann immer mehr ihr Auto stehen lassen oder gar abschaffen.
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