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Die stille Mehrheit für den Klimaschutz – und warum wir sie endlich hörbar machen sollten

Ziemlich sicher hatte jede*r hier schon zumindest einmal das Gefühl, dass die Mehrheit der Gesellschaft beim Wunsch nach einer klimafreundlichen und gerechten Zukunft nicht so recht mitgeht. Es ist frustrierend, fühlt sich ohnmächtig an und laugt aus.

Aber hier steht uns unsere Wahrnehmung im Weg, denn tatsächlich unterstützt die Mehrheit der Gesellschaft Klimaschutz. Dieses Phänomen nennt sich im Fachjargon pluralistische Ignoranz – oder im Alltagssprech Gruppenblindheit. Wir glauben, mit unseren Überzeugungen zu Klimaschutz in der Minderheit zu sein, obwohl wir in Wahrheit Teil einer stillen Mehrheit sind. Etwas verquer, aber wenn wir es mal durchdenken, dann kann dieses Phänomen durchaus Mut machen.

Warum wir einander unterschätzen

Wir sind große Fans von der Zukunftsforscherin Maja Göpel. Sie beschreibt das Phänomen der pluralistischen Ignoranz so, dass die vermutete Akzeptanz für Veränderung oft geringer ist als die tatsächliche Zustimmung. Themen wie Klima und Umwelt gehören laut Erhebungen (1, 2) weiterhin zu den Top-5 gesellschaftlichen Anliegen – werden aber in öffentlichen Debatten kaum noch sichtbar bzw. haben sie sogar einen negativen Touch erhalten. Das erzeugt eine Hemmspirale und ein Gefühl der Ohnmacht.

Das zeigt auch der kürzlich neu veröffentlichte Klimabesorgnismonitor von INTEGRAL zeigt: Zwei Drittel der österreichischen Bevölkerung sehen den Klimawandel als relevant an, aber nur 8 % geben an, ihr Verhalten sicher ändern zu wollen. Die Diskrepanz zwischen Haltung und Handlung ist groß – 

und sie wird durch die Annahme verstärkt, dass „die Anderen“ ohnehin nicht mitziehen.

Veränderung braucht Sichtbarkeit

Dabei zeigt die Geschichte: Gesellschaftlicher Wandel beginnt oft mit Widerstand und endet mit breiter Zustimmung. Denken wir an die Einführung der Gurtpflicht in Autos, das Rauchverbot in Lokalen, die Umwidmung von Autostraßen in Begegnungszonen wie z.B. die Wiener Mariahilfer Straße oder den Radweg am Wiener Ring. Anfangs umstritten, heute nicht mehr wegzudenken.

Was wäre, wenn wir Klimaschutz genauso denken? Wenn wir nicht länger auf die Zustimmung aller warten, sondern den Wandel und die damit verbundenen positiven Veränderungen sichtbar machen – durch mutige politische Entscheidungen, durch lokale Initiativen, durch das Teilen unserer Werte?

Werte als Kompass

Maja Göpel sagt in diesem Zusammenhang, dass Nachhaltigkeit entsteht, wenn Freiheitsräume und orientierungsgebende Werte zusammenwirken. Es geht nämlich ganz und gar nicht um Verzicht, sondern um Freiheitsgewinn und gesteigerte Lebensqualität durch Veränderung. Wenn wir erkennen, dass viele andere ebenso denken und fühlen wie wir, verändert sich unser Verhalten – und das kollektive Bewusstsein gleich mit.

Was können wir also tun?

  • Fragen stellen statt Meinungen vermuten.
  • Bei den Antworten mit ehrlichem Interesse zuhören.
  • Respektvolle Gespräche führen statt sich zurückziehen.
  • Offen zeigen, wofür wir stehen.
Schweigespirale durchbrechen

Wenn wir glauben, mit unserer Meinung zum Klimaschutz allein zu sein oder sie als kontrovers wahrgenommen wird, neigen wir dazu zu schweigen. Dieses Verhalten nennt man Schweigespirale: Aus Angst vor Ablehnung sprechen viele ihre Ansichten nicht offen aus – obwohl viele ähnlich denken. Je weniger über Klima gesprochen wird, desto stärker wird die Spirale.

Das erschwert die Umsetzung wirksamer Klimaschutzmaßnahmen, weil die nötige gesellschaftliche Unterstützung fehlt. Dabei ist das offene Gespräch über Klimaschutz im Alltag eines der einfachsten und wirksamsten Mittel, um Veränderung anzustoßen. Politische Entscheidungen brauchen Rückhalt – und den schaffen wir durch Sichtbarkeit und Kommunikation.

Denn großartigerweise ist die Mehrheit für Klimaschutz – wir müssen nur füreinander sicht- und hörbar werden.

Weiterführende Links:

  • Maja Göpel im Talk mit Werner & Mertz-Inhaber über Werte. Link
  • Debattenkompass. Link
  • Der Klimareporter. Verzerrte Wahrnehmung. Link
  • Süddeutsche Zeitung. Die Zustimmung für Klimaschutz wird unterschätzt. Link
  • taz. „Viele wissen nicht, dass sie nicht allein sind“. Link
  • Project 89 %. Link
  • Michael Bürkle. Die Mehrheit ist für Klimaschutz – doch kaum jemand weiß das. Link