Skip to content

Klimakommunikation.
Ein Gespräch mit Christopher Schrader zu unsem Herzensthema. Teil 1

In Anlehnung an “5 Fragen an…” haben wir mit Christopher Schrader, dem Autor von „Über Klima sprechen. Das Handbuch“ gesprochen. Sein Werk gilt mittlerweile als der Fundus schlechthin, wenn es darum geht, konstruktiv und empathisch übers Klima zu reden.

Daher ist das Gespräch diesmal auch etwas länger ausgefallen. Aus 5 Fragen wurden 9 und deshalb wir haben uns diesmal dazu entschieden, den Blogpost zweizuteilen. Heute erzählt uns Christopher, wie er überhaupt auf das Thema der Klimakommunikation kam und wie sich dieses große Feld seither weiterentwickelt hat.

Warum hast du das Handbuch Klimakommunikation geschrieben?

Weil es auf dem Markt fehlte. Es gibt inzwischen – vor allem auf Englisch – einen großen Schatz an wissenschaftlichen Forschungsergebnissen und praktischen Erfahrungen, warum gerade in Punkto Klimapolitik der Weg vom Wissen zum Handeln so gewunden und steinig ist. Sind es nur die Profit-Interessen und die Lobbyarbeit der fossilen Konzerne? Oder kommt es vielen ganz gelegen, wenn immer wieder Falschmeldungen und aufgebauschte Zweifel die Entschlossenheit bremsen?

Die Fragen nach den sozialen und sozialwissenschaftlichen Aspekten sind in der Klimadebatte lange sträflich vernachlässigt worden, besonders im deutschsprachigen Raum. Hier war schließlich – anders als zum Beispiel in den USA, Australien und Großbritannien – das Ausmaß von Desinformation und Polarisierung lange Zeit vergleichsweise gering. Darum fanden hier die Studien von dort nur wenig Beachtung. Das Handbuch sollte  eine erste deutschsprachige zusammenhängende und benutzbare Zusammenschau all dieser Erkenntnisse liefern.

Gab es so etwas wie einen ausschlaggebenden Moment für den Start des Handbuchs?

Die Entstehungsgeschichte fing ungefähr 2015 an. Ich hatte als Redakteur der Süddeutschen Zeitung seit 15 Jahren über den Klimawandel geschrieben, vor allem über die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse, Temperatur-Statistiken, den Rückgang des Meereises und den Anstieg des Meeresspiegels, Extremwetter und so weiter. Dazu kamen als Themen immer wieder auch das politische Gezerre und die verbreitete Desinformation. Und begleitet wurde meine Berichterstattung von einem steten Strom von Leser:innenbriefen: Ich solle doch mal richtig recherchieren, diese und jene obskure Studie widerlege doch alles, und die Temperaturmessungen auf der eigenen Terrasse zeigten über Jahrzehnte keinerlei Erwärmung. Kaum einer der Verfasser (praktisch ausschließlich Männer) ließ sich dann je von meinen Antworten und dem Hinweis auf die überwältigende Fülle der wissenschaftlichen Erkenntnisse überzeugen.

Warum das so war, fand ich in zwei Büchern heraus: George Marshall von der britischen Organisation Climate Outreach und der norwegische Psychologe Per Espen Stoknes stellten beide schon im Titel klar, dass es mit dem rationalen Denken im Zusammenhang mit dem Klimawandel nicht so weit her ist. Aber was dann? Auch dazu enthielten beide Bücher, die immer noch griffbereit auf meinem Schreibtisch stehen, viele Beobachtungen und Erkenntnisse. Ich verarbeitete das Gelesene zunächst in einigen Artikeln, fand und las immer mehr über die psychologischen und sozialen Aspekte. Dadurch ergänzte sich für mich der Begriff „Klimawandel“ (die naturwissenschaftlich messbaren Veränderungen) um „Klimakise“ (die gesellschaftlichen Folgen und die Notwendigkeit, angemessene Entscheidungen zu treffen und umzusetzen). So wuchs der Gedanke, ein Buch darüber zu schreiben, zunächst in der Form eines ausgedehnten Wissenschafts-Berichts. Allerdings fand ich keinen Verlag und keine:n Agent:in, der/die das Projekt angenommen hätte. Es war vielleicht zu früh, inzwischen gibt es etliche solche Bücher, siehe hier, hier und hier.

Klimafakten.de schien da dann eine geeignete Plattform zu bieten. Wie seid ihr miteinander ins Tun gekommen?

Während ich keinen Verlag bzw. keine:n Agent:in fand, veränderte sich beim Portal klimafakten.de der Charakter der Berichterstattung. Ursprünglich gegründet, um Desinformation richtigzustellen, erkannten die Kolleg:innen zunehmend den Wert der sozialwissenschaftlichen Forschung und der Erkenntnisse der Kommunikationswissenschaften. Wir begegneten uns vor allem bei der Vorbereitung der ersten Konferenzen der K3-Reihe (Kongress zu Klimakommunikation). Von klimafakten.de kam die Idee, ein Buch über die Erkenntnisse und Ansätze der Klimakommunikation zu veröffentlichen. Es sollte anwendbares Wissen enthalten und als Handreichung zum besseren Kommunizieren für eine Zielgruppe dienen, die genau das braucht und die diese Schwierigkeiten in der eigenen Arbeit erlebt.

Das Buch entstand dann im Wesentlichen in der Pandemie und wurde zunächst kapitelweise bei klimafakten.de online veröffentlicht. 2022 nach Erscheinen des letzten Kapitels habe ich alle Texte noch einmal überarbeitet, und daraus wurde dann ein Gesamt-PDF (kostenlos) und ein gedrucktes Buch.

Was hat sich seit der Veröffentlichung des Handbuchs getan?

Zum einen gibt es inzwischen einen Podcast zum Buch. Zum anderen gibt es ein Netzwerk von etwa zwei Dutzend Menschen in den D-A-CH-Ländern, die sich alle für Klimakommunikation interessieren und dazu Vorträge, Workshops und Seminare anbieten. So haben wir uns ja auch kennengelernt. (edit: Marianne und Katharina, die Gründerinnen von Hallo Klima!, sind Mitglieder im Netzwerk.) Das Handbuch bietet dafür eine fundierte Quelle an Methoden und Ansätzen.

Der Gedanke hinter dem Netzwerk ist, dass es bei klimafakten.de eine zentrale Anlaufstelle für alle gibt, die solche Veranstaltungen und Trainings besuchen oder innerhalb ihrer Organisation ausrichten möchten. Wir erarbeiten gemeinsam neue Ansätze und tauschen Gedanken, Methoden und Materialien aus, um professionelle Standards bei unseren Angeboten zu

sichern. Dieses Netzwerk möchte einerseits wachsen, also mehr Mitglieder gewinnen, die dann auch mehr Veranstaltungen anbieten und mehr Interessierte erreichen. Andererseits soll das Netzwerk immer mehr solche Multiplikator:innen ausbilden, die die Inhalte und Methoden kennenlernen, um später selber solche Trainings auszurichten.

Das war der erste Teil unseres Gesprächs mit Christopher Schrader, Autor von „Über Klima sprechen. Das Handbuch“. Nächstes Mal geht es weiter zu den Chancen und Risiken sowie der Dynamik im Feld der Klimakommunikation. Stay tuned!

Weiterführende Hinweise:

  • Plattform für Klimakommunikation. Link
  • Klimafakten.de. Link
  • K3 Kongress zur Klimakommunikation. Link
  • Humorvolle Ansätze von Eckart von Hirschhausen. Link
  • Ausstellung zu Klimakommunikation im Museum für Kommunikation in Berlin. Link