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Klimakommunikation.
Ein Gespräch mit Christopher Schrader zu unsem Herzensthema. Teil 2

Hier kommt der zweite Teil unseres Gesprächs mit Christopher Schrader, dem Autor von „Über Klima sprechen. Das Handbuch“. Im ersten Teil ging es um Christophers Zugang zur Klimakommunikation. Diesmal unterhalten wir uns über Chancen und Risiken in der Klimakommunikation und darüber, wie sich Christophers Blick auf das Thema wandelt.

Was sind jetzt gerade die größten Chancen und Risiken in der Klimakommunikation?

Chancen liegen vor allem darin, dass inzwischen sehr viele Menschen erkannt haben, dass es nicht mehr so weitergehen kann wie bisher. Das ist aus zwei Gründen bitter: es adressiert erstens den mangelnden Fortschritt in der Politik und der nötigen Transformation. Zweites steht dahinter die Erkenntnis, dass Kommunikation professionell und der Größe der Aufgabe angemessen sein muss, um überhaupt vorwärts zu kommen. In dieser Zwangslage wächst aber auch das Verständnis dafür, dass eine Transformation nötig ist und wir alle sehr genau darüber nachdenken müssen, was wir wem auf welche Weise näherbringen, erklären und vorschlagen können.

Und zu den Risiken…

Die Risiken liegen erstens darin, dass sich auch die Kommunikation der Gegner:innen von Klimaschutz ändert und sie am verbreiteten Bedürfnis nach einfachen Lösungen anknüpfen. Erkennbare, positive Veränderungen auf dem Weg von angemessenem Klimaschutz und guter Klimakommunikation beginnen zunächst eher langsam. Angesichts der wachsenden, bedrohlichen Folgen der Klimakrise, der globalen Ungerechtigkeit, der Krisen und Kriege können sich Menschen überfordert fühlen und die Motivation oder Geduld verlieren.

Was können wir tun, um die Motivation hochzuhalten?

Es gibt darum viele Klimabewegte, die lieber andere Ansätze wählen, zum Beispiel indem sie Druck auf die Politik machen, fossile Konzerne verklagen, die Bedingungen auf den Finanzmärkten verändern, technologische Ansätze vorantreiben, soziale Innovationen fördern oder über radikalere Protestformen nachdenken. Wir brauchen das vermutlich alles, und die Klimakommunikation mag im Vergleich als weniger glamourös und effektiv erscheinen. Ich glaube aber, sie unterstützt und erleichtert alle anderen Ansätze, verringert deren innere und äußere Reibungsverluste und stabilisiert ihre Erfolge.

Wenn du das Buch heute neu schreiben würdest, welche Inhalte würdest du besonders beachten?

Ist Klimakommunikation weniger empathisch, kann sie einen Trend verstärken, der die Probleme und die Verantwortung beim Einzelnen ablädt. Gelungene Klimakommunikation stellt die Anpassung von Standards, Gesetze und anderen kollektiven Beschlüsse in den Mittelpunkt – also die Rahmenbedingungen, die allen ein klimafreundliches Leben erleichtern. Ich habe diese Gefahr im Nachwort des Buches aufgegriffen. Wie viele andere auch meine ich: die Ebenen von Einzelpersonen und der Gemeinschaft stehen nicht im Konflikt, sie bedingen einander und müssen sich verzahnen. Ohne neue kollektive Standards wären Menschen auf der individuellen Suche nach dem klimafreundlichen Lebensstil überfordert und würden fortlaufend an Grenzen stoßen. Gleichzeitig brauchen wir individuelle Beispiele von Vorbildern, die ihren Willen zur Verantwortung und Veränderung zeigen. Daher würde dem Buch in einer Neuauflage vielleicht eine systematische

Betrachtung dieser Dialektik in jedem Kapitel guttun: Immer wieder könnte man dort untersuchen, was man in Bezug auf das jeweilige Thema auf individueller und kollektiver Ebene tun kann und sollte.

Wie kann Klimakommunikation auf Dauer wirken?

Ich denke schon seit längerem darüber nach, wie Klimakommunikation auf die Dauer wirkt. Was ist sozusagen das „Endgame“, was passiert, wenn überall die Art von Klimakommunikation betrieben wird, die wir zurzeit befürworten und mit der wir noch ziemlich am Anfang stehen?

Meine momentane, vorläufige Antwort konzentriert sich vor allem auf soziale Normen. Das sind Beobachtungen und Erwartungen, was man macht, wie man sich in der Gesellschaft verhält und verhalten sollte. Nicht unbedingt die Normen vom Typ Hausordnung und erhobener Zeigefinger, sondern vor allem die, die beim Blick in die Runde auf Nachbarn, Kolleg*innen, Mitbürger*innen entstehen. Zurzeit leben wir mit sozialen Normen, die ein verschwenderisches Konsumverhalten als „normal“ und sogar „erstrebenswert“ definieren. Und die jedes Nachdenken über Veränderungen, sobald es andere betrifft oder auch

nur auf diese ausstrahlt, als unerträglichen Eingriff in die individuelle Freiheit brandmarkt.

Aber sobald sich hier Dinge ändern, kann ein sich selbst verstärkender Prozess in Gang kommen: Menschen sehen bei anderen Menschen, dass man sich anders verhalten kann und dass das Vorteile hat. Sie fühlen sich ermutigt, es auch zu tun. Menschen sind dann bereit für Veränderung, wenn sie erkennen, was sie tun können, dass die Veränderung mit ihrem Leben vereinbar ist und sie sich damit nicht sozial isolieren, sondern, im Gegenteil, eine neue Gemeinschaft finden.

Allerdings gibt es auch starke Kräfte der Beharrung, die genau das Entstehen und Bekanntwerden neuer sozialer Normen verhindern wollen, zum Beispiel indem sie Leute als Angeber oder Moralapostel verunglimpfen, die über ihre persönlichen Erfahrungen mit Lastenrädern, Wärmepumpen oder anderen Innovationen berichten.

Und zum Schluss: Was ist dein Lieblingstipp für gelungene Klimakommunikation?

Alles, was Menschen verbindet und ihnen zeigt, dass sie Teil einer Gemeinschaft sind, in der gemeinsame Ziele auch gemeinsam verfolgt werden. Dabei können vor allem Schmunzeln und Lachen helfen, weil Humor auch die Unterströmung von Hoffnungslosigkeit und Über­forderung unterbricht. Ähnliches gilt für gemeinsame Erfahrungen und Erinnerungen: Darum verwende ich in Vorträge oft einen kurzen Audio-Clip vom Sesamstraßen-Lied, das viele aus der eigenen Kindheit kennen und verknüpfe das mit einer Aussage über die Klimakommu­nikation. Die zweite Zeile des Texts lautet: Wer, wie, was? Und in dieser Reihenfolge sollte man die Kommunikation planen. Erst sich über Zielgruppe und die eigene Position klarwerden (Wer?), dann Methoden und Elemente der Kommunikation festlegen (Wie?), bevor man die (Gestaltung der) Inhalte darauf abstimmt (Was?).

Vieles liegt aber auch nicht in meiner Hand: Es gibt viel Ungleichheit, die nur unzurei­chend benannt und berücksichtigt wird. Um die unabweisbaren Investitionskosten zu schultern, brauchen viele Menschen finanzielle oder sonstige Hilfe. Diese Hilfe muss die Politik bereitstellen und gleichzeitig darauf achten, dass sie unbürokratisch und zielgerichtet bei den Richtigen ankommt. Die Prämie für E-Autos ist da ein Kontra-Beispiel, weil sie vor allem an Leute ging, die sich grundsätzlich ziemlich teure, neue Autos leisten kann. Den Betroffenen erklären zu können, wie diese Hilfsmechanismen neuer Art funktionieren, wäre eine sehr hilfreiche Ergänzung. Dafür müssen wir als Gesellschaft noch eintreten und uns zum Beispiel an der Wahlurne entsprechend entscheiden.

Weiterführende Hinweise:

  • Teil 1 des Interviews darüber, wie Christopher auf das Thema der Klimakommunikation kam und wie sich dieses große Feld seither weiterentwickelt hat. Link
  • klimafakten.de. Link
  • Netzwerk Klima kommunizieren. Link
  • Klimabündnis Österreich. Klima artikulieren. Link
  • The 51 Percent Project. Link
  • Spotlighting Storytelling and Social Change. Link